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Über Flugangst, die sich in Luft auflöste



Endlich Urlaub


Geschafft! Wir sind in Brüssel am Flughafen. Vier Stunden Autofahrt liegen hinter und eine große Reise vor uns. Nicht mehr lange und wir werden nach Indien fliegen, mit allen vier Kindern und einer großen Sehnsucht im Gepäck. Eine Reise als Geschenk an unsere Seelen: In Indien wollen wir kraftvolle Orte besuchen, Plätze, an denen Eingeweihte schon vor langer Zeit meditiert und ihre Energie als spürbare Präsenz hinterlassen haben. Wir wollen uns verbinden mit diesen paradiesischen Orten und Kraft und Inspiration schöpfen für einen Wandel, der vor uns liegt, einen Umbruch im Leben. Schon lange habe ich mir das gewünscht und nun kann ich kaum fassen, dass es jetzt tatsächlich gleich losgehen wird.


Auch Jakob, unser Jüngster, war Schöpfer dieser Reise. Zu Weihnachten wünschte er sich, bald einmal den Samadhi (Grabstätte) eines in Indien weithin bekannten Heiligen besuchen zu können. Sein Name ist Shirdi Sai Baba, er lebte und wirkte in Indien, in einem Ort namens Shirdi, bis er im Jahre 1918 seinen Körper verließ. Jakob liebt es, Geschichten über Baba zu hören, wie er allgemein genannt wird, über all die Wunder und Heilungen, die er vollbrachte während seiner Lebenszeit. Und Jakob liebt es noch mehr, zu Baba zu beten, ihm seine Sorgen zu erzählen und auch, ihn um die Erfüllung seiner Wünsche zu bitten.


So kam er auf die Idee, seinen Weihnachtswunsch auf einem kleinen abgerissenen Zettelchen aufzuschreiben und auf unseren Altar zu legen. „Bitte Baba, ich möchte zu Dir nach Shirdi kommen. Und ich will zum ersten Mal fliegen, bevor ich acht Jahre alt bin“, war darauf zu lesen, zahlreiche Schreibfehler inbegriffen, schließlich besucht Jakob erst die erste Klasse und schreibt so, wie er er die Wörter ausspricht. Aber Baba würde es ganz sicher auch lesen können, beruhigte ich ihn. Schließlich könne er alles!

Insgeheim aber hatte ich so meine Zweifel, ob dieser Wunsch in Erfüllung gehen würde: Zwischen Weihnachten und Jakobs achtem Geburtstag lagen gerade mal etwas mehr als sechs Monate! Wie sollte das gehen? Sehr unwahrscheinlich, eine teure Reise nach Indien war nicht in Planung, dafür aber hatten wir gerade ein Ferienhaus in Frankreich für den Sommerurlaub gebucht. „Na ja, Wünsche sind ja erlaubt“, dachte ich, bedauerte aber bereits, dass dieser Wunsch inklusive Zeitlimit sicher nicht für unseren Kleinen in Erfüllung gehen würde.


Wunder werden wahr


Dass Wunder wahr werden können, erlebten wir dann nur wenige Wochen später. Bestimmte Entwicklungen katapultierten uns innerhalb weniger Tage nicht nur Richtung Indien, sondern in eine verbindliche Buchung für sechs Flugreisende. Den Sommerurlaub mussten wir nicht mal mehr selbst absagen – der Vermieter hatte inzwischen beschlossen, sein Domizil zu verkaufen und so stornierte sich die Frankreichreise quasi von ganz alleine und ohne weitere Kosten für uns.


Und nun sind wir fast am Ziel: Schrittchenweise und ein bisschen aufgeregt bewegen wir uns Richtung Check-In-Schalter vorwärts. Die Gepäckstücke ziehen wir auf Rollen hinterher. Auch die Kinder helfen tatkräftig mit, immerhin haben wir eine Menge Gepäck zu sechst! Gerade fällt die erste Warteschlangen-Absperrung einer mit dem Rollkoffer geschnittenen Kurve zum Opfer. „Nicht so schlimm“, beruhige ich die Kofferzieherin, „das lässt sich wieder aufstellen.“ Wir sind schon fast an der Reihe, als Jakob anfängt zu weinen. Er hat Flugangst! Da er diese Sorge hin und wieder schon im Vorfeld geäußert hat, habe ich ihm direkt vor der Abreise zu Hause und nochmal bei Ankunft am Flughafen Rescue-Tropfen (Bachblüten) verabreicht.


Ich bin mir sicher, dass er sich gleich wieder beruhigen wird und beuge mich zu ihm hinunter, um ihn zu trösten und ihm gut zuzureden. Ich erzähle von der Sicherheit im Luftverkehr und von Baba, der uns doch höchstpersönlich eingeladen habe und auf uns aufpassen werde. Doch weit gefehlt!! Jakob steigert sich von einem ängstlichen Weinen in lautes Schreien und hysterisches Verweigern. „Ich will nicht abstürzen“, brüllt er lauthals und „ich will nicht sterben, ich bin doch erst sieben Jahre alt!“ Er steigert sich derart in eine wütende Panik, dass ich überhaupt nicht mehr an ihn herankomme. Hinter uns schauen schon die anderen Fluggäste, was sich wohl bei uns zuträgt. Diejenigen, die deutsch verstehen, werden selbst schon etwas unruhig angesichts Jakobs Schilderungen vom Sterben beim Fliegen.


Unglücklicherweise ist in der Woche davor tatsächlich ein Flugzeug abgestürzt.Viele Menschen verloren ihr Leben dabei. Das Wissen um diese Katastrophe scheint bei Jakob nun zusätzlich alle Andockstellen für mich und meine beruhigenden Worte auszuschalten. Das Geschrei geht nun schon viele lange Minuten, mitlerweile besteht unser Jüngster sogar vehement darauf, sofort von Oma und Opa am Flughafen abgeholt zu werden. „Ich fliege nicht mit!“, macht er mir wütend klar. Auch meine Erklärungen, dass er sich doch diese Reise auch so sehr gewünscht habe, sogar einen Wunschzettel an Baba geschrieben habe, kommen nicht mehr an. Langsam werde ich selbst panisch, mir bricht der Schweiß aus bei diesem Ringkampf, der gerade mehr als aussichtslos für mich aussieht.


Ausser Rand und Band


Noch zwei Passagiere vor uns, dann sind wir an der Reihe. Aber wie einchecken mit einem bockigen Kind, das keinen Schritt vorwärtsgehen will in der Schlange. Ich habe keine Ahnung, ich fühle mich total hilflos. Aus Erfahrung weiß ich, dass nichts mehr geht, wenn Jakob nicht will. Ich möchte ihn aber doch nicht ins Flugzeug schleppen müssen. Was machen wir, wenn er dort schreit wie aus Leibeskräften? Werden wir dann rausgeworfen? So langsam kommt die Angst zu mir angeschwebt, allerdings in anderer Färbung. Darf man ein Kind zu seinem Glück und trotz seiner Angst zwingen mit Drohungen und Verboten, damit es endlich ruhig ist? Ich bin total überfragt in dieser Situation, pädagogisch Wertvolles will mir nicht mehr einfallen. Ehrlich gesagt, bin ich jetzt selbst fast am Explodieren.


Als ich Jakob dennoch ruhig erkläre, dass die Oma ihn nicht aus Brüssel abholen könne, da das viel zu weit weg sei, verlangt er, dass Annette ihn abholen solle, unsere Freundin und Ärztin zu Hause. Und zwar jetzt sofort! „Annette“! Das ist mein Stichwort. Sicherlich kann sie uns helfen, Jakob zu beruhigen, damit wir unseren Flug antreten können. Schnell schreibe ich ihr eine kurze SMS, in der ich ihr unsere verzwickte Lage schildere. Gott sei Dank funktioniert das auch hier in Brüssel, denn ich habe keine internationale Telefonkarte oder Flatrate für Gespräche im Ausland.


Hilfe


Wenige Augenblicke später klingelt mein Handy. Annette ist dran, so eine wundervolle Überraschung! Sie möchte mit Jakob sprechen und ich reiche erleichtert mein Telefon weiter an ihn. Für die nächsten Minuten bin ich raus aus der Verantwortung, was für ein Segen! Erleichterung macht sich in mir breit, während wir nun unsere Flugscheine und Reisepässe vorne am Counter der freundlichen Flughafen-Angestellten zum Einlesen reichen.


Ja.“ „Mmmmh hmmm“, „Nein“ „Ja“, höre ich Jakob in mein Handy sagen, seine Augen schauen ganz entspannt in die Ferne dabei. Annette scheint ihm so einiges zu erzählen, ich habe keine Ahnung, um was es geht, aber das ist mir im Moment auch herzlich egal. Ich bin nur unendlich dankbar, dass jetzt Ruhe ist. Inzwischen sind wir mit dem Check-In fertig, die sperrigen Koffer sind wir auch losgeworden und so setzen wir uns mit den Bordkarten in der Hand auf eine Reihe freier Stühle. Jakob lauscht immer noch ins Telefon, antwortet nur ab und zu. Von mir aus darf dieses Gespräch noch länger dauern. Endlich Entspannung. „Danke, Danke, Danke, Lieber Gott!!!“, formuliere ich still!!


Heilung durch´s Telefon


Eine Weile später ist es soweit. Jakob verabschiedet sich fröhlich von Annette und gibt mir das Handy, nicht ohne mir vorher zu sagen, dass er jetzt ins Flugzeug möchte. „Wie hast Du das denn hinbekommen?“, frage ich Annette prompt. Ich oder wir sind zwar schon häufig Zeuge wahrer Wunder geworden, die passierten, wenn Annette ihre Heilkräfte einsetzte. Aber dieses Mal war es für mich selbst mit am eindrucksvollsten. Von einer Sekunde auf die andere eine völlig veränderte Situation!! Als hätte man einen Knopf gedrückt oder den Kanal gewechselt. Von Chaos zu Ordnung! Unglaublich! Welch ein Geschenk! Mich berühren solche Heilungen immer wieder zutiefst! Mir selbst sitzt aktuell allerdings immer noch die Anspannung in den Muskeln. Hoffentlich hat angesichts dieser Herausforderung und Adrenalinstöße neben meiner Pädagogik nicht auch noch mein Deo versagt.


Es sei die Angst in uns selbst – in Hari und in mir – die sich ihren Weg über Jakob gesucht habe, um zum Ausdruck zu kommen, erklärt mir Annette, während ich mit meiner Familie nun Richtung Passkontrolle laufe. Sie finde bei Jakob ihren Weg, weil bei ihm die Tore für spontanen Ausdruck weit offen ständen. Die vor uns liegende Reise – eine Seelenreise – sei wie eine Initiation für den bevorstehenden Umbruch in unserem Leben, den wir zwar beide herbeisehnten, aber für den wir derzeit noch keine konkrete Lösung hätten. Sie fördere nun sämtliche Schichten von Angst zutage, die uns von unserer inneren Kraft, Weisheit und Anbindung trenne, sagt Annette. „Oh ja, wie wahr!“, kann ich nur zustimmen. Beide, sowohl Hari als auch ich, sind wir nicht mehr zufrieden mit unserer Lebens- und Arbeitssituation. Für unsere Zukunft wünschen wir uns einen anderen Wohnort und die Möglichkeit, in einem schönen und kraftvollen Umfeld gemeinsam mit Menschen zu wirken, die mit uns auf einer Wellenlänge liegen. Da wir aber noch keine konkrete Lösung parat haben, auch nicht das erforderliche Kapital, können wir uns bislang nur an unseren inneren Bildern und Ideen entlanghangeln. So holt der Seelen-Wunsch nach einer großen und umwälzenden Veränderung natürlich auch all unsere versteckten Ängste hervor. Sehr massiv, wie wir an Jakob eindrücklich sehen durften.


Bevor Annette sich von uns liebevoll verabschiedet und uns eine wunderschöne Reise wünscht, empfiehlt sie uns noch, unsere Ängste bewusst zu sehen und einer höheren Instanz gegenüber zu formulieren, Gott um Hilfe zu bitten. Diese innere Arbeit nehmen wir uns für die lange Zeit des Fluges vor, aber auch für den Aufenthalt an den Kraftorten, die wir besuchen wollen. Da wir unter anderem zu Shirdi Sai Babas Mahasamadhi reisen, wenden wir uns direkt an ihn! Immerhin hat er uns zu dieser Reise eingeladen und damit auch unsere Blockaden sichtbar gemacht, all das hochgewirbelt, was uns noch trennt von unserer Wahrheit.


Oh ja, Fliegen!!



Im Flieger will Jakob lediglich beim Start beide Hände gehalten bekommen. Die rechte vom großen Bruder, die linke vom Papa. Ansonsten wirkt er gelassen. Kaum in der Luft ist er mit Kopfhörern auf den Ohren völlig vertieft in einen Kinderfilm, so sehr, dass er nicht mal die Flugbegleiterin bemerkt, die ihm die Kinder-Geschenke-Box zur Auswahl hinhält. Eine kleine Dose Cola darf er ausnahmsweise auch mal trinken, dazu gibt es Cräcker, und später dann ein warmes Kindermenü samt Reisezahnbürste, Zahnpasta und Süßigkeiten. Als wir nach der Zwischenlandung in Dubai aussteigen, ist Jakob über den Wolken nicht nur ein erfahrener Flugreisender geworden, sondern auch größter Fan der Fluglinie, die wir gewählt hatten. Die Aussicht, das ganze Prozedere inklusive Werbegeschenken, Essen und Filmen gleich nochmal erleben zu können auf unserem Anschlussflug nach Indien schenkt ihm ganz persönliche Höhenflüge: „Mama, Fliegen ist soo cool. Ich bin froh, dass ich doch mitgekommen bin!“ Hari und ich schauen uns seufzend an: Oh ja, wir auch!


Preema


Bilder: Preema Luft


  1. Dieser Beitrag wurde insgesamt 361 mal gelesen.(Erstveröffentlichung 24. Mai 2015)

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